An dieser Stelle sei die Kurzform dessen dargestellt, welches in Kampfkunstkreisen kursiert und in voller Fassung
in dem Buch WingTsun Kuen von Großmeister Leung Ting nachzulesen ist.
Sich mit der Geschichte eines chinesischen Kampfstils auseinander zu setzen bedeutet auch, immer viele Legenden, Wahrheiten und Unwahrheiten lesen und erforschen zu müssen. Das alte China ist
Tausende von Jahren alt, und ein Land der Legenden und Mythen. Genauso ranken sich auch tausende von Erzählungen und Geschichten um die legendären Kampfstile. Ihr Wahrheitsgehalt ist oftmals
zweifelhaft oder verfälscht. Daher ist es sehr schwierig eine authentische Geschichte herzuleiten.
WingTsun soll zwischen Szechwan und Yunnan entstanden sein, in Fukkien weiterentwickelt und dann im bekannten Futshan berühmt geworden sein. Die Legende besagt, dass vor ca. 250 Jahren bei der
Belagerung des Shaolin- (Siu-Lam) Klosters durch Soldaten der Manchu-Regierung (Ching-Dynastie) ein Feuer ausgebrochen sein soll, welches das Kloster vollständig zerstört hat.
Bereits an dieser Stelle gehen die Legenden weit auseinander. Die einen erzählen, dass die Soldaten der Manchu-Regierung das Kloster zerstört haben, die anderen sagen, es war ein Verräter aus den
inneren Kreisen.
Durch das Feuer im Kloster kamen die meisten Mönche und Kampfkunst-Experten ums Leben. Einige wenige konnten jedoch entkommen und lebten fortan unter falschen Namen verstreut über das ganze Land.
Eine von ihnen war die buddhistische Nonne Ng Mui.
Sie erkannte dass ein auf Kraftentwicklung basierendes System wie das Shaolin Kung Fu nicht der Weg einer Frau sein konnte. Sie entwickelte daher eine einmalige Methode, welche diesem überlegen war
und auch von einer Frau erfolgreich praktiziert werden konnte.
Die entscheidende Inspiration gab ihr ein Kampf zwischen Fuchs und Kranich. So entwickelte NgMui ein System, das zwar optisch nüchtern gehalten, dessen praktische Anwendbarkeit jedoch einmalig
war.
Dieses System gab NgMui an die schöne Yim WingTsun weiter, die unter den Belästigungen eines dorfbekannten Schlägers litt. Yim WingTsun wurde Namensgeberin des neuen Kampfsystems. WingTsun wurde von
Generation zu Generation weitergegeben und verfeinert, blieb jedoch als Geheimstil über Jahrhunderte unentdeckt.
Großmeister Yip Man war der erste, der WingTsun öffentlich unterrichtete. Nachdem er von dem politischen Umsturz in China ins seinerzeit britische Hongkong geflüchtet war, sah er sich gezwungen,
seinen Lebensunterhalt mit dem Unterricht dieser Kampfkunst zu verdienen. Zahlreiche Legenden und Geschichten sind aus dieser bewegten Zeit überliefert. Sie zeigen welchen Ruhm Großmeister Yip Man
und seine Schüler in Hongkong erwarben. Zwischen 1970 und 1971 wurde Bruce Lee einer von Yip Mans Schülern. Yip Man unterwies ihn im WingTsun (chin.wingchun), Bruce Lee ging jedoch in die USA und
entwickelte seine eigene, jedoch hauptsächlich auf Ihn maßgeschneiderte Technik, das Jeet Kune Do, durch welches er dann letztendlich weltberühmt geworden ist.
Großmeister Leung Ting war der letzte Privatschüler des seinerzeit 70 jährigen Yip Man. Dieser hatte sich bereits aus dem alltäglichen Unterrichtsgeschehen zurückgezogen, weshalb Leung Ting auch als
"closed door-student" bezeichnet wurde. Er erlernte ein Kampfkunst System, welches das Ergebnis der lebenslangen WingTsun Praxis Großmeister Yip Mans war, den so genannten Altersstil. Entscheidender
Unterschied bei diesem Altersstil war, dass weder Körperkraft noch Augenmaß eine entscheidende Rolle spielen durften.
Er durfte nicht hart und fest, sondern musste weich und flexibel sein. Geschickt borgt sich dieser extrem weiche Altersstil die Angriffsenergie des Gegners und verwendet diese gegen Ihn.
Nach Yip Mans Tod 1972 herrschten unter seinen Schülern die verschiedensten Auffassungen über die "wahre" Lehre. Nach fast 30jahriger Entwicklungs- und Forschungsarbeit unterscheidet sich das heutige
WingTsun erheblich von den Theorien der anderen Yip Man Schüler früherer Perioden.