Jeder der Erfahrungen im Kampfsport hat, kennt die Grundlagen des Zweikampfes. In den meisten Kampfkünsten ist es von großer
Bedeutung, einen Angriff optisch zu identifizieren, das bedeutet aus welcher Richtung, Höhe oder Winkel er kommt. Zum einen setzt dies ein zeitraubendes Abwarten der Angriffsführung voraus, für die
Auswahl der richtigen Abwehrbewegung bleibt jedoch meist nicht ausreichend Zeit, da die Reaktionszeit, die bis zur Abwehrbewegung vergeht länger ist, als der Angriff selbst. Zum anderen führt die
optische Beurteilung eines Angriffs selbst bei langjährigen Profis zu Verunsicherungen, wenn die Angriffsführung schwer einzuschätzen ist.
Auf der Straße beginnt eine Auseinandersetzung oft ganz plötzlich. Der Gegner ist in der Regel unbekannt, jeder Treffer kann eine Niederlage bedeuten. Kein Angriff gleicht dem anderen. Ist der
Verteidiger gezwungen, den Angriff optisch zu erkennen und erst auf die Technik des Angreifers zu reagieren, ergibt sich eine abwehrende und zurückhaltende Selbstverteidigung, bei der häufig nicht
der technisch Bessere siegt, sondern leider der brutale Straßenschläger.
Für das WingTsun ist der gegnerische Angriff und dessen Stil unerheblich, denn WingTsun-ler verlassen sich nicht auf die Optik, sondern auf ihre taktielen Reflexe. WingTsun reaktiviert verloren
gegangene Sinne: es wird die Fähigkeit entwickelt, den selten genutzten Tastsinn wiederzuerwecken.
Effektive Selbstverteidigung
Taktile Reflexe
Durch den Aufbau der taktilen Reflexe ist beispielsweise ein Arm nicht nur Waffe, sondern auch Informationsempfänger. Er
"handelt" eigenständig als Reflex und muß nicht mehr bewußt eingesetzt werden. Lange Reaktionszeiten bedingt durch die Trägheit des Auges und den Umweg der Reaktionen über das Gehirn entfallen
gänzlich. Aufgrund der taktilen Reflexe, die mittels des "Chi Sao" trainiert werden, können WingTsun-ler ihre Distanz zum Gegner völlig aufgeben.
Mit ihren lückenlosen, extrem kurzen, aber hochexplosiven Angriffen lassen WT-ler dem Gegner keine Zeit, sich zu sammeln oder zurückzuschlagen. Ein weiterer Vorteil des WingTsun ist die Tatsache, daß
Angriff und Verteidigung eine Aktion sind, während in den meisten anderen Stilen Angriff und Verteidigung zwei voneinander getrennte Bewegungen sind. Dies liefert einen weiteren Zeitvorteil gegenüber
dem Angreifer, zumal eine Vielzahl von Angriffen mit nur wenigen Techniken des WingTsun abgewehrt werden kann. So muß der Verteidiger, nicht erst entscheiden, welche Technik er zur Abwehr des
Angriffes benötigt, da dies in der Realität viel zu lange dauern würde.
Das offensive Vorgehen ist Bedingung für die völlig andere Kampfweise des WingTsun. Realitätsnahes Training durch Verzicht auf Beschränkungen wie einen etwaigen Regelkanon, hochexplosive Techniken,
die ihre Geschwindigkeit aus der Entspanntheit der Bewegungen gewinnen und ständig fortgesetzte Angriffe wie konsequente Kettenfausttechniken drängen den Angreifer in die unvorhergesehene Position
des passiven Verteidigers.